wen juckt’s?
Manchmal läuft halt etwas nicht nach Plan, das gehört dazu. Ärgert einen aber trotzdem. Laune ist nicht berechenbar und manchmal erwischt es einen so dämlich, dass man sich im nachhinein wünscht, man wäre einfach zuhause geblieben.
M-D.
Die Leica M-D Typ 262 - meine Traumkamera seit ich fotografiere. Seit April ist sie nun meine: Nachdem meine M10-P irgendwie nicht so funktionieren wollte, wie man es von einer Kamera erwartet und ich zufällig ein super Angebot gefunden habe, konnte ich quasi die M10-P gegen die M-D “eintauschen”. Wenn ich das Haus verlasse, ist sie in 98% aller Fälle dabei, ich liebe sie einfach. Die M-D ist eine digitale Messsucher-Kamera ohne Display. Im Grunde ist es eine analoge Kamera, die statt Film auf SD-Karte speichert. Man kann das Datum einstellen, das war’s. Sie macht Fotos - alles was man dafür hat ist das Belichtungsdreieck Blende, Zeit & ISO, sowie ein sehr elementarer Belichtungsmesser.
sommerfest.
Soweit so gut. Vor einigen Tagen war ich mit meiner Familie zu Besuch auf dem Sommerfest des Arbeitgebers meiner Frau in Metzingen. Ich hatte echt Lust auf das Event, vor allem weil ich viele ihrer Kollegen kenne und richtig mag, doch irgendwie war ich ein wenig träge den Abend. Mit dabei natürlich meine M-D. Nun kennen mich die meisten als “den Fotografen” und mit einer Kamera um den Hals unterstreiche ich diesen Ruf ja aktiv. Einige der anderen Gäste durfte ich schon vor der Linse haben und allesamt lieben meine Arbeit. Natürlich liegt es da nahe, dass ich irgendwann nach einem Foto gefragt wurde.
Genau hier fängt die ganze Geschichte an etwas Scheiße zu werden. Ich schätze es ungemein, dass ich gefragt werde und dass es für manch einen etwas besonderes ist, von mir fotografiert zu werden. Ich kann gar nicht beschreiben wie glücklich mich dieser Gedanke macht! An diesem Tag hatte ich jedoch einfach keine Lust zu fotografieren, obwohl die Umstände besser nicht hätten sein können: Eine wunderschöne, liebevoll dekorierte Umgebung um eine ziemlich schöne Villa, exzellent gekleidete und herausgeputzte Leute, perfektes Licht und super Stimmung. An meinem inneren Miesepeter ging das natürlich komplett vorbei. Anstatt mir richtig Mühe zu geben und vielleicht sogar etwas “Show” zu machen, damit auch ja jeder mitkriegt, dass hier ein Profi am Werk ist, habe ich genau das Gegenteil getan: Einfach die Leute stehen oder sitzen lassen, nicht nachgedacht und abgedrückt.
Das Ergebnis: Bilder, die ich niemanden zeigen möchte, erst recht nicht den Fotografierten.
upsi.
Bonus: Die M-D hat, wie vorhin erwähnt, kein Display. Auch wenn ich es nicht vermisse, wäre es in solch einer Situation sinnvoll gewesen, damit ich direkt merken kann, dass ich da eine jenseits Scheiße gebaut habe an der Kamera und die Situation nutze, um den Shot zu wiederholen. Aber nein, ich habe abgedrückt und das war’s. Toll Moe, was ‘ne Leistung.
In der Zwischenzeit habe ich mich daran gewöhnt, jedes Mal wirklich geilen Stuff zu finden, wenn ich mir die Fotos von der Kamera auf den PC lade, aber dieses Mal war es das Gegenteil. Dazu kommt, dass ich der Fotografin vor Ort meine M-D in die Hand drückte, damit sie ein Bild von uns als Familie macht und obwohl sie leider den Messsucher nicht ganz richtig benutzt und die Fotos unscharf waren, war ich doch von ihrer Bildkomposition ziemlich angetan. “Hätte von mir sein können…”, dachte ich mir “…wenn ich nur die Laune gehabt hätte!”. Hab mich selten so krass unfähig gefühlt.
vor der kamera.
Dazu kam, dass die seltene Chance, als Fotograf auch mal auf dem Foto zu landen, auch noch schief gegangen ist. Ich habe Unmengen an Fotos meiner Familie - ich bin seltenst dabei. Dazu kommt, dass der Leica Messsucher für die meisten Menschen auch nicht logisch ist, sodass das manuelle Fokussieren oder der Bildausschnitt in der Regel auch schief geht. Meine Enttäuschung darüber geht soweit, dass ich seit einiger Zeit mir ernsthaft überlege, mir zum Beispiel das Teckstudio für ein paar Stunden aufzubauen und mich selbst zu shooten. Oder ‘nen Spiegel reinzustellen oder sonstwas. Früher habe ich in regelmäßigen Abständen hier und da mal ein Shooting als Model gehabt, um zu spüren wie es sich anfühlt, vor der Kamera zu stehen - aber auch das ist in der Zwischenzeit irgendwie untergegangen. Wenn ich eines Tages nicht mehr bin, wird man sich vermutlich an den Typ mit der Kamera im Spiegel erinnern. Oder an gar nichts.
Anyway, irgendwie hängt es mir etwas nach, dass ich aus so einer idealen Situation das mit Abstand dümmste gemacht habe, was man hätte tun können. Ehrlich gesagt überlege ich mir das beim nächsten Event noch einmal, bevor ich mit Kamera um den Hals da hingehe. Letzten Endes juckt’s doch eh keinen. Oder doch? Egal, die spontane Laune wird schon für eine Entscheidung sorgen.
sorry.
Trotzdem bin ich der Meinung, dass ich diesbezüglich an mir selbst arbeiten muss - nicht (nur) meines Rufes willen, sondern weil die Leute, die mich wertschätzen und nach einem Foto fragen, auch ein tolles Foto verdient haben. Verspreche hiermit feierlich, dass ich die verkackten Shots nachholen werde.